Konflikte – wieso wir dringend eine gute Streitkultur brauchen!

1. Juni 2018

Wieso finden wir Konflikte nicht toll?

Ich habe zwei Geschwister, mit denen ich auch aufgewachsen bin.  Meine Eltern sagen so im Rückblick, dass es eigentlich immer Konflikte gab. Das höre ich auch aus anderen Familien mit mehr als einem Kind: es gibt täglich Streiterei. Oft – wie wir Erwachsenen empfinden – über Kleinigkeiten, über nichts wichtiges, also unsinniger Streit. Vermutlich poppt deshalb recht schnell der Gedanke „Nun hört doch endlich auf zu streiten“ in meinem Kopf auf, wenn sich meine beiden Kinder lauthals um ein Spielzeug, eine Süßigkeit oder einen bestimmten Sitzplatz auf der Küchenbank streiten. Der erste Gedanke ist sicher nicht „Oh, ein Streit. Streit ist toll und wichtig!“

Nein, ich höre also den Satz „Hört endlich auf zu streiten!“ in meinem Kopf und beiße mir dabei auf die Zunge, denn sagen will ich ihn nicht! Konflikte sind wichtig und wieso will ich mir eigentlich anmaßen, dass es gerade bloß um eine Kleinigkeit geht? Ich stecke ja gar nicht drin in meinen Kindern.

Warum Konflikte eigentlich Spaß machen sollten und toll sind!

Wie gesagt bin ich ein Mensch, der mit dem Satz „Hört auf zu streiten!“ groß geworden ist.  Und tatsächlich habe ich mich als junge Erwachsene nicht gerade befähigt gefühlt, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte auszuhalten, geschweige denn für alle Beteiligten gut zu klären. Mir fehlte einfach eine Handlungsalternative, außer dass Streit nicht sein sollte und ich aufhören sollte hatte ich darüber nichts weiter gelernt. Blöd irgendwie.

Dann lernte ich die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg kennen und mit ihr eine Möglichkeit, meine Sicht auf Meinungsverschiedenheiten und Streit zu verändern. Wenn Meinungsverschiedenheiten da sein dürfen, dann kann ich lernen, dass ich ok bin mit meiner Meinung und mein Gegenüber ok ist mit seiner Meinung – wir sind beide ok, nicht beide falsch – was ein „hört endlich auf“ impliziert.

Konflikt ist notwendig, um für sich selbst einzustehen und um andere Menschen als frei in ihren Überzeugungen wahrzunehmen. Streiten ist wichtig, um zu erfahren, wie wir mit unserer Verschiedenartigkeit umgehen können, ohne uns gegenseitig zu verletzen.

Um zu lernen, wie wir „richtig“ streiten, also so, dass wir eine Konfliktlösung finden, die für alle in Ordnung sind, ist es wichtig, dass wir als Eltern unsere Kinder im Konflikt begleiten. Betonung liegt dabei auf „begleiten“, nicht einmischen oder klären. Dieses Begleiten besteht dabei lediglich aus 2 Aufgaben: wir schützen (damit sich unsere Kinder nicht gegenseitig „blutig“ hauen) und wir unterstützen, wenn unsere Hilfe gewollt ist, bei der Klärung. Mehr ist gar nicht notwendig – außer natürlich, dass wir das Geschrei und den Frust aushalten müssen, was sicher nicht immer einfach ist, gerade wenn wir erschöpft sind und Ruhe brauchen oder einer anderen Tätigkeit nachkommen, die wir nur ungern unterbrechen mögen. Naja und dann ist da doch noch eine dritte sehr wichtige Aufgabe: das Vorleben… 🙂